Einschätzung des Vision Paper ‘Sieben Hebel für eine innovative Wirtschaft und Gesellschaft’
Einschätzung des Vision Paper: ‘Sieben Hebel für eine innovative Wirtschaft und Gesellschaft’
Der Beirat für Soziale Innovation des Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Vision Paper ‘Sieben Hebel für eine innovative Wirtschaft und Gesellschaft’ veröffentlicht. Wir gratulieren zu den vielen wichtigen Impulsen, die hier gesetzt werden. Dieser wertvolle Diskussionsbeitrag integriert andere europäische Stimmen und Erfahrungen in die deutsche Debatte und zeichnet positive Zukunftsbilder für ein Thema, das in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist. Aus dem Papier ergeben sich Folgefragen, die wir für den weiteren Diskussionsprozess wichtig finden.
In dem Papier gibt es viele Forderungen, die wir unterstützen und freuen uns über die klare Formulierung dieser wichtigen Bausteine:
‘Impact’ Agenda & Partizipation bei deren Weiterentwicklung
Eine ambitionierte Weiterentwicklung der Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen (SIGU-Strategie) ist sehr wichtig. Diese sollte als dauerhafter Prozess im gesamten Sektor verankert werden. Der neueste Deutsche Social Entrepreneurship Monitor 2024 (DSEM) zeigt, dass wir beim Abbau von Hürden und systemischen Ungerechtigkeiten für den Sektor in Deutschland noch relativ am Anfang stehen.
Einheitliche Definitionen und strukturierte Daten
Eine bessere Datengrundlage zu Social Entrepreneurship ist unerlässlich für eine wirkungsorientierte Weiterentwicklung. Dies hat auch die EFI-Kommission von der Bundesregierung in ihrem diesjährigen Gutachten gefordert. Um Wirkung in die öffentliche Beschaffung aufzunehmen, wird vor allem dringend eine bessere Datenlage benötigt, um basierend darauf zu steuern und incentivieren zu können. Das ist der erste und sehr wichtige Schritt beim Wechsel von Input- zu Outcome-Steuerung.
Strukturelle Verankerung
Soziale Innovationen und Social Entrepreneurship sind Querschnittsthemen. Die ressortübergreifende Kooperation und Unterstützung des Themas, wie auch in anderen europäischen Ländern, ist äußerst wichtig für Deutschland. Social Entrepreneurship soll ein sektorenübergreifendes Ökosystem werden, das seine Kraft aus dem vernetzenden, gemeinsamen Wirken in horizontalen Lösungsmissionen und Wirkungspartnerschaften zieht und damit einen möglichen Beitrag zur Transformation leistet, wie wir künftig große gesellschaftliche Herausforderungen angehen.
Platzierung Sozialer Innovationen auf der internationalen Agenda
Die meisten gesellschaftlichen Herausforderungen enden nicht an Grenzen. Daher ist das gemeinsame Lernen und Entwickeln von Lösungen in Form von Sozialen Innovationen und einer wirksamen Social Economy enorm wichtig. Geteilte internationale bzw. transnationale Standards werden auch dem deutschen Ökosystem weiterhelfen.
Aktivierung nachrichtenloser Bankkonten für das Gemeinwohl in Form eines Social Impact Fonds
Gerade in Zeiten der herausfordernden Haushaltslage stellt dies eine historisch einmalige Chance dar. Ihre Einmaligkeit macht die wirksame gesetzliche Umsetzung mit klugem Ausgleich zwischen allen relevanten Stakeholdern dringend erforderlich. Mit juristischen Expert:innen haben wir hierzu einen ausgewogenen und bürokratisch schlanken Vorschlag entwickelt. Die Bundesregierung steht in der Verantwortung, ihre Ankündigung aus der SIGU-Strategie in den kommenden 12 Monaten umzusetzen. Es ist begrüßenswert, dass sich das Vision Paper für eine ambitionierte Umsetzung einsetzt, die insbesondere eine schnelle Aktivierung nachrichtenloser Konten nach 10 Jahren nötig macht, um zum Start hinreichend Kapital zu mobilisieren.
Die Hebelung weiterer Mittel wäre sehr zu begrüßen. Letztlich muss durch das Fondsdesign sichergestellt werden, dass es bürokratisch maximal anschlussfähig ist und eine hinreichende Flexibilität zur Anpassung der Fondskriterien an die jeweiligen zeitgemäßen Erfordernisse behält. Das denkbar schlechteste Szenario wäre ein Social Impact Fonds, der nicht attraktiv genug für Co-Investor:innen wäre und aufgrund strenger Co-Investitions-Kriterien vom wirksamen Investieren durch einen unnötigen Mittelabflussstau abhalten würde.
Als Anregungen für die weitere Diskussion möchten wir gerne folgende Punkte setzen:
‘Unser Vorschlag ist, die Wirkung in die Kategorie der Währung zu übersetzen’ (Vision Paper)
Wirkung marktwirtschaftlich einzupreisen, ist ein wichtiger Baustein. Zum Beispiel können resultatorientierte Finanzierungsinstrumente wie ‘Outcomes-based’ oder ‘Impact-linked Finance’ in bestimmten Wirkungsbereichen die Erprobung wirkungsvoller Ansätze ermöglichen, oder wirkungsorientierte Ansätze incentivieren. Hierfür sind im ersten Schritt Daten und klare Andockstellen zwischen Wirkung und SROI (Social Return on Investment) erforderlich. Allerdings sollten wir nicht die Wirkung von allen Sozialunternehmen in das bestehende monetäre System übersetzen, da die zugrundeliegende Wirkungsmessung nicht in allen Bereichen möglich und wünschenswert ist. Einige Soziale Innovationen und Sozialunternehmen schließen nämlich Lücken in der öffentlichen Daseinsvorsorge oder führen Dienstleistungen nach den Sozialgesetzbüchern aus, wie im Papier unter Punkt 7.1 anerkannt. Es bedarf einer Debatte und Folgenabschätzung, inwiefern die konsequente Monetarisierung von Wirkung langfristig eher Treiber für das Wachsen der Social Economy ist oder Bremse für die gesellschaftliche Transformation hin zu einem nachhaltigen und regenerativen Wirtschaften.
An dieser Stelle teilen wir gerne den Beitrag zur Diskussion von Michael Wunsch, der das Thema ausführlich aufgreift.
Kommunikation und Sichtbarkeit
Die Forderung nach mehr Kommunikation zu Social Entrepreneurship und Sichtbarkeit für den Sektor ist eine, die wir auch unterstützen. Dies ist eine SIGU-Strategie-Maßnahme und zudem auch ein Ergebnis des DSEM 2024, der verdeutlicht, dass Sozialunternehmen sich von der Politik ein besseres Verständnis ihrer Bedürfnisse wünschen. Dafür braucht es Kommunikation, Sichtbarkeit und Storytelling. Zu dem Ansatz, dies mit Impact Unicorns zu erreichen, wollen wir gerne auch einen Beitrag zur Diskussion leisten. Dieses Narrativ, das sehr durch die Startup Welt geprägt ist, könnte Akteure, die nicht am Markt agieren, ausschließen. Als Verband stehen wir dafür, Sozialunternehmen in der ganzen Breite – nicht nur in der ‘Spitze’ – zu unterstützen und zu fördern. Soziale Innovationen sind oft lokale Lösungen, die manchmal langsam entstehen und für deren Skalierung auch länger gebraucht wird als beim Output klassischer Unternehmen, weswegen bedarfsgerechte Finanzierungsoptionen für die Skalierung dringend benötigt werden. Sozialunternehmen kooperieren zudem auch oft miteinander. Der Ansatz der Unicorns lenkt viel Aufmerksamkeit auf Individuen, was zu einer Machtkonzentration führen kann, wie wir es von den Strukturen der klassischen Wirtschaft kennen. Das möchten wir gerne im Sinne des #GemeinsamWirkens vermeiden.
Impact Startups
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Mehrheit der Gründungen als Impact Startups verstünden. Es darf jedoch nicht zur Etikettenfrage verkommen. Denn schon jetzt sagen rund drei Viertel der deutschen Gründer:innen, dass sie mit ihrer Gründung auch oder primär soziale oder ökologische Herausforderungen lösen wollen. Zur Selbstbezeichnung Impact Startup ist es praktisch nicht mehr weit. Wichtig ist, dass “Impact Startup” nicht zur undefinierten Social Washing-Hülle wird, sondern an klar definierte Kriterien gekoppelt ist.
Hochschulen
Es werden wichtige Aspekte in Bezug auf Hochschulen angesprochen, die wir ausdrücklich begrüßen. Beispielsweise die Integration Sozialer Innovationen in Lehre bzw. Aus- und Weiterbildungsprogramme. Dies ist auch von hoher Bedeutung für die Entstehung Sozialer Innovationen und Social Intrapreneurship innerhalb bestehender Strukturen. Jedoch wollen wir anmerken, dass dabei nicht nur Technische Hochschulen in den Blick genommen werden sollten, sondern jeder Hochschultyp und jede Disziplin in Frage kommt. Das Thema der Sozialen Innovationen ist auch relevant in klassischen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften oder beispielsweise Kunsthochschulen.
Zudem unterstützen wir die Idee der Impact-Exzellenzcluster und empfehlen hier eine Themen- und Technologieoffenheit. Dabei sollten auch Sensibilisierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für gründungsfernere Bereiche z. B. in der Sozialen Arbeit oder den Gesundheitswissenschaften geleistet werden. Denn diese Bereiche werden oftmals vernachlässigt, doch eine breite interdisziplinäre und intersektorale Herangehensweise für die Polykrisen unserer Zeit ist unentbehrlich. Zu berücksichtigen sollte sein, dass nicht alle Sozialinnovator:innen die Absicht haben, Impact-Unicorns zu werden. Hochschulen und Gründungen aus ihnen haben oft auch einen regionalen Fokus. Nicht jede Soziale Innovation ist über ihren regionalen Entstehungskontext hinaus übertragbar.
Wir freuen uns sehr auf die weitere Diskussion zu den wichtigen Themen in dem Vision Paper und gratulieren Zarah Bruhn und allen Beiratsmitgliedern zu diesem wichtigen Beitrag!
Hier könnt Ihr das gesamte Paper nachlesen
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