Internationale Vergleichsstudie: “Finanzierung von Sozialen Innovationen”
Die Barrieren, die man als Sozialunternehmer:in überwinden muss, sind unterschiedlich, aber der Zugang zu finanziellen Mitteln für Gründung, Wachstum und Skalierung stellt wohl die größte Hürde dar. Im Gegensatz zu rein renditeorientierten Unternehmen stehen öffentliche Innovationszuschüsse, privates Wagniskapital oder auch Bankdarlehen für innovative Sozialunternehmen kaum zur Verfügung.
Wie unser aktueller Deutscher Social Entrepreneurship Monitor (DSEM) zeigt, sehen sich z. B. 90% der Sozialunternehmen in Deutschland aktuell noch mit mindestens einem grundlegenden Hindernis bei ihrer Finanzierung konfrontiert. Dazu zählen beispielsweise mangelnde Frühphasen- und Wachstumsförderung, der erschwerte Zugang zu staatlichen Zuschüssen oder Darlehen, oder fehlende langfristige stille Beteiligungen.
„Der Zugang zu Finanzierung gehört zu den größten Schwierigkeiten von Sozialunternehmen. Bei den gewaltigen Herausforderungen, die wir als Gesellschaft haben, ist es endlich an der Zeit, dass soziale und ökologische Kriterien bei der Innovationsförderung stärker berücksichtigt werden, damit die Wirkung von Sozialen Innovationen skalieren kann.“
Katrin Elsemann, Geschäftsführerin Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V.
Dabei haben Soziale Innovationen an sich in den letzten Jahren in Deutschland enorm an Stellenwert gewonnen. Nicht nur hat im Mai 2020 der Deutsche Bundestag erstmals einen Antrag zu Sozialen Innovationen beschlossen, auch 9 Bundesministerien veröffentlichten im vergangenen August ein Ressortkonzept zu Sozialen Innovationen. Doch wirklich konkret wurde es bisher nicht. Und oft scheint es, als haben viele der Entscheidungsträger:innen auch ihre Zweifel, ob so eine Finanzierung überhaupt möglich ist.
Mit der nun erschienenen Studie „Finanzierung von Sozialen Innovationen“, die wir gemeinsam mit dem CSI Heidelberg veröffentlicht haben, zeigen wir, dass das sehr wohl geht! Basierend auf internationaler Evidenz aus 10 Ländern beschreibt die Studie, wie die Finanzierungs- und Förderinstrumente für Soziale Innovationen aussehen können, und welchen Rahmen dabei die Politik setzen muss.
„Die nachhaltige Transformation besteht in Wirklichkeit aus einer Reihe vieler kleiner Transformationen. Dafür braucht es innovative Unternehmer:innen und Investor:innen. Für diese Akteure braucht es zusätzliches Kapital, um sie in ihren Innovationsbestrebungen aktiv zu unterstützen. Im Vergleich zu anderen Ländern hat Deutschland allerdings noch einiges an Aufholbedarf. Für die nächste Bundesregierung müssen zielgruppenspezifische Finanzierungs- und Förderinstrumente daher ganz oben auf der politischen Agenda stehen.“
Dr. Frank Niederländer, Vorstand der Bundesinitiative Impact Investing / Mitglied des Vorstands der BMW Foundation Herbert Quandt
Dazu ist es wichtig, Soziale Innovationen in ihrer Komplexität zu verstehen und Finanzierungsstrukturen anhand ihrer Heterogenität auszurichten. Dabei wird dann schnell deutlich, dass die Perspektive des klassischen Venture Capital, welche ein „Investment pro Start-Up“ verfolgt, weniger hilfreich ist.
Empfehlenswert laut internationaler Evidenz sind die folgenden Strategien:
- Prozessorientierung anstatt einzelner Maßnahmen: Die Finanzierung Sozialer Innovationen ist ein Prozess, kein statisches System. Finanzierungsinstrumente sollten sich daher am Lebenszyklus von Sozialen Innovationen orientieren und sowohl in der Frühphase als auch der Wachstumsphase von Sozialunternehmen ansetzen.
- Finanzierung in Abhängigkeit des Geschäftsmodells: Sozialunternehmen und auch andere Akteure, die Soziale Innovationen voranbringen, sind höchst unterschiedlich, von gemeinnützig bis gewerblich, mit sehr unterschiedlichen, oft hybriden Ertragsmodellen.
- Nicht-monetäre Förderung und Netzwerke: Nicht-monetäre Förderangebote spielen eine größere Rolle als bei kommerziellen Unternehmen. Dabei geht es nicht nur um Know-how in Bezug auf verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, sondern auch um Wirkungsmessung sowie die Vernetzung mit Skalierungspartnern aus anderen Sektoren, wie der öffentlichen Verwaltung, Wohlfahrt oder der klassischen Wirtschaft, die die Sozialen Innovationen über bestehende Systeme in die Breite tragen können.
- Sozial-Ökologische Wirkung ganzheitlich betrachten: Die Förderung von Sozialen Innovationen ist kein Selbstzweck, sondern trägt zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen bei. Daher müssen Förderprogramme und ‑strategien in ihrer Ausgestaltung in erster Linie an der Erzielung gesellschaftlicher Wirkung orientiert sein und entsprechende Werkzeuge zur Wirkungsmessung berücksichtigen.
Basierend auf diesen Strategien haben international unterschiedliche politische Instrumente für die verschiedenen Phasen und Modellen von Sozialunternehmen eine hohe Wirksamkeit gezeigt. Beispielhalft seien hier die folgenden Maßnahmen genannt:
- Steuerliche Anreize oder Impact Prämien: Der Staat kann private Investitionen durch Steuervergünstigungen oder Prämien attraktiver zu machen. Solche Anreize müssten an klaren Wirkungskriterien gebunden sein.
- Garantien: Staatliche Ausfallgarantien könnten zur Risikominderung der Investoren bereitgestellt werden.
- Pay-by-Results-Prinzip: Um die Wirkungsmaximierung zu fördern, wird privates Kapital mobilisiert, welches das Risiko für die Neuentwicklung von Ansätzen tragen soll und nur im Erfolgsfall vom Staat zurückgezahlt wird. Erfolg wird dabei anhand von gemeinsam festgelegten Wirkungszielen bemessen.
- Social Procurement / Sozial-nachhaltige Beschaffung: Der öffentliche Sektor kann das Beschaffungswesen so umorganisieren, dass es an sozialen und ökologischen Kriterien von Organisationen orientiert ist. Das würde nicht nur Markteinkommensmöglichkeiten für Sozialunternehmen generieren, sondern die Wirkungsorientierung von Unternehmen insgesamt erhöhen.
Mit diesen Instrumenten lassen sich erprobte Finanzvehikel verknüpfen (Darlehen, Grants, Nicht-marktbasierte Blended-Finance Instrumente, Social Impact Bonds, Community Bonds, aber auch klassische Marktbasierte Blenden Finance-Instrumente), deren Prinzipien wir in der Studie genau erläutern und die auch in Deutschland zur Förderung von Sozialen Innovationen Anwendung finden können.
Deutschland hat die Gelegenheit von der systematischen Aufarbeitung der Erfahrungen aus 10 Ländern und einem Plan zur Umsetzung eines effektiven Fördersystems für Soziale Innovationen zu profitieren, um damit eine Vorreiterrolle einzunehmen. Jetzt gilt es in die konkrete Umsetzung zu kommen. Wir hoffen, dass sich politische Entscheidungsträger:innen nun in den Koalitionsverhandlungen von diesen Erkenntnissen nicht nur inspirieren lassen, sondern sich, gemeinsam mit einem breiten Spektrum von Stakeholdern, für eine ganzheitliche Soziale Innovationsstrategie sowie die praktische Implementierung von Fördermaßnahmen einsetzen.
Ein großer Dank geht an die BMW Foundation Herbert Quandt sowie die Europäische Union mit dem Projekt Kompetenzzentrum für Soziale Innovationen, die diese wichtige Studie finanziell ermöglicht haben.
Finanzierung von Sozialen Innovationen
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